Mein Wunder

Das sind meine Beine. Ich hab sie so sehr gehasst, dass ich sie am liebsten abgeschnitten hätte. Ich habe meinen Körper abgrundtief gehasst und verabscheut. Umso mehr hab ich es geliebt, wenn das Blut floss, wenn sich das liebliche Rot auf meinen verhassten Oberschenkeln ausbreitete. Wenn das Messer durch mein Fleisch schnitt und mich der Schmerz daran erinnerte, dass ich noch am Leben war.

Für kurze Zeit verschaffte mir der Anblick des fließenden Blutes Erleichterung, manchmal fast Freude und Genugtuung. Ich konnte dieses Ding bestrafen, ich konnte ihm wehtun. Dieses Ding mit dem ich mein Leben fristen musste.

Das mich immer wieder daran erinnerte, was mit mir passiert war. Ohne es würde ich mich nicht so fühlen. So wertlos, so benutzt, so dreckig. Ich hätte nicht solche Schmerzen.

An manchen Tagen war der Schmerz so groß, dass ich das Gefühl hatte daran zu ersticken. Alles in mir tat weh und brannte und ich wollte einfach raus. Raus aus diesem furchtbaren Anzug, raus aus meinem Gefängnis und raus aus diesem Leben.

Ich gab ihm die ganze Schuld. Ich fühlte mich unsagbar hässlich, und nicht liebenswert. Wenn ich mich heute im Spiegel betrachte, bin ich immer noch nicht happy, aber ich hab Frieden mit meinem Körper geschlossen.

Ich sehe mir meine Narben an und erinnere mich zurück, was ich schon alles hinter mir habe, was mein Körper schon alles hinter sich hat. Er hat wirklich schon Vieles ertragen und überstanden. Und auch wenn er nicht perfekt ist, liebe ich ihn.

Ich liebe ihn, weil er mein Freund ist, mein treuer Wegbegleiter und weil er mir so viele wunderbare Gefühle schenkt. Ich habe ihn immer verurteilt, für das was mit ihm passiert ist, für sein Aussehen, für die Schmerzen, die er mir beschert hat.

Dabei vergaß ich, welch wunderschönen Gefühle er mir ebenso beschert.

Ohne ihn könnte ich nicht berühren, nicht küssen, nicht umarmen. Ohne ihn könnte ich nicht berührt werden.

Ich könnte den Wind nicht auf meiner Haut spüren. Keine Schmetterlinge im Bauch haben.

Er ist nicht schlecht oder böse weil man ihm Böses angetan hat. Er muss nicht bestraft werden, weil er so ist, wie er ist. Denn er ist ein Wunder, er ist mein Wunder…

bein

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